SOMMERPAUSEN-TALK VOL. 10 MIT CLAUDIA HALLER

Der Sommerpausentalk mit Claudia Haller wurde von Sven Bauer – Manager Heimspieltage des TuS Steißlingen Abt. Handball – durchgeführt.

NameClaudia Haller
SpitznameClaudi
WohnortSteißlingen
Jahre beim TuS1979-2009 (aktive Spielerin und Trainerin) 
Ehem. Rückennummer3

Hallo Claudi, wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen. Erzähl mal den TuS Fans, wie geht es Dir, wo wohnst Du, was machst Du beruflich und in Deiner Freizeit?

Zwischenzeitlich geht es mir sehr gut, wohne seit 1979 in Steißlingen, arbeite bei der Telekom und sorge dafür, dass Internet für Mobile Working und Mobile-Schooling problemlos läuft. Ist ja in der heutigen Zeit sehr wichtig.

In meiner Freizeit fahre ich gerne Fahrrad, gehe schwimmen und habe das Wandern für mich entdeckt. Wenn es mir zeitlich möglich ist, lasse ich es mir nicht nehmen Finn, Janne und Lenny bei den Handballspielen anzufeuern- stolze Tante halt. (strahlt)

Claudia – 2020

Du warst sehr engagiert und sozusagen eine Pionierin, als der Hallenhandball für Damen im TuS Anfang der 80er begonnen hat. Wann und wie bist Du zum Handball gekommen? Wie kam es zustande, eine Damenmannschaft zu gründen? Handball war ja 1980 fast ausschließlich ein Männer Sport?

Mein Vater hat in Steißlingen Handball gespielt und wir waren fast jedes Wochenende in einer Sporthalle. Klar, dass ich auch spielen wollte. Als wir 1979 nach Steißlingen gezogen sind gab es aber keine weiblichen Mannschaften. Weder im Jugend- noch im Aktivenbereich.

Claudia Haller (3) und die neu gegründete B-Jugend weiblich im Jahre 1981. 

Bezirksjugendtag in Singen

Die Alternative war, dass ich ins Turnen gegangen bin, da man da in den letzten 20 Minuten etwas mit dem Ball gemacht hatte. Wenn wir mal nicht richtig mitgeturnt hatten, kam dann immer der Spruch: „Wenn ihr jetzt nicht richtig mitmacht, dann gibt es keine Ballspiele.“ Ich musste mir daher eine Alternative suchen.

Es haben sich einige Mädels gefunden, die ebenfalls zum Handball wollten. Wir bekamen ungefähr 15 Mädels zusammen und haben dann bei der Vorstandschaft vorgesprochen. Die Begeisterung hielt sich anfangs sehr in Grenzen, aber man gab uns eine Chance, wofür ich heute noch sehr dankbar bin.

Die A-Jugend weiblich beim ersten Spiel gegen Mühlhofen am 18.10.1981 mit Trainerin Frau Link

Du bist in den 80er Jahren aufgewachsen. Es herrschte noch der Muff der 70er und die klare Rollenverteilung, dass Männer hart arbeiten und Frauen die Kinder erziehen und den Haushalt machen.  Emanzipation zumeist noch ein Fremdwort. Wie waren die Reaktionen auf Euch junge Handball Girls?

(lacht) Oh ja, Reaktionen die gab es auf jeden Fall. Gerade von den Älteren gab es Sprüche wie „Frauen gehören an den Herd und haben in der Halle nichts zu suchen“. Die Sprüche ließen uns aber komplett kalt. Wir wollten einfach nur Handball spielen. Mit dem Ball was machen und uns austoben. Handball war ja damals auch schon ein Kontaktsport. Das war natürlich was anderes wie Turnen oder Rhythmische Sportgymnastik.

Witzig fand ich aber schon, dass gerade die größten Widersacher von uns ein paar Jahre später immer bei den Damenspielen in der Halle waren und uns begeistert angefeuert haben. Schön, dass sich die Zeiten so positiv verändert haben.

Wer war damals Dein Trainer und wie liefen die ersten Jahre im Training ab? Hattet Ihr genügend Spielerinnen? Wie oft habt Ihr trainiert?

Wir haben damals aktive männliche Spieler gefragt, ob sie uns trainieren würden, aber die hatten alle viel zu großen Respekt vor den Reaktionen ihrer Mannschaftskollegen und haben abgelehnt. Hatten wohl ziemlich Angst, dass sie ausgelacht werden. Das hat sich ja mittlerweile geändert. Gott sei Dank! Frau Wendel und Frau Kröll haben sich dann erbarmt und uns als Trainergespann der weiblichen B-Jugend übernommen. Frau Link hat die weibliche A-Jugend trainiert. Wir haben erstmals 1980 für 1 Jahr trainiert ohne Spielbetrieb. Wir mussten ja von Grund auf alles neu lernen. Regeln, Taktik ja die Grundlagen Fangen, Werfen…alles war so ziemlich neu für uns.

Training hatten wir 1x in der Woche, damals noch in der Seeblickhalle.

Anfang der 80er (unten rechts) neben Manuela Bichsel

Hattet Ihr überhaupt eigene Trikots oder musstet Ihr in alten Trikots von den Jungs spielen?

Wir hatten eigene Trikots bekommen und natürlich die unheimlich, attraktiven Frotteehosen, die damals so modern waren. Schrecklich!

Gab es zu dieser Zeit schon Meisterschaften und Rundenspiele gegen andere Damen Mannschaften? Wie war der Kontakt zu anderen Mannschaften?

Durch die Spielgemeinschaft mit Radolfzell konnten wir eine weibliche B-Jugend und sogar eine weibliche A-Jugend melden.

In der Saison 1981/1982 ging es dann in den Spielbetrieb. Unsere ersten Erfahrungen machten wir beim Bezirksjugendtag in Singen und haben gleich richtig Lehrgeld gezahlt. War ja auch irgendwie klar, wir haben ja ganz frisch mit Handball angefangen und die anderen Mädels waren schon deutlich weiter. Gegen TV Rielasingen, TV Engen und TV Überlingen gab es nichts zu gewinnen, was sich kurze Zeit später allerdings änderte. Im zweiten Jahr waren wir dann fast schon auf gleichem Niveau wie die anderen Mannschaften. Der TV Überlingen bleibt mir da noch in sehr guter Erinnerung. Wir hatten sehr viel Spaß an Turnieren und sie hatten uns sogar mal Spielerinnen ausgeliehen, als wir zu wenige waren. Seit dieser Zeit bin ich schon mit Brita Ammann befreundet die ja dann später auch zu uns nach Steisslingen kam.

Claudia (3) beim Sprungwurf – Bezirksjugendtag in Singen 1981 –  Am Kreis sieht man Mitspielerin Gudrun Sieger (5)

Auf welcher Position hast Du gespielt? Insider von damals berichten, dass Du auch eine sehr sichere 7-Meter Schützin warst?

Anfangs habe ich Rückraum links gespielt – aber Links Außen war meine Lieblingsposition.

Ja, das stimmt. Es wollte nie jemand schießen und da habe ich mich erbarmt. Meine Bestmarke war mal sieben Tore durch 7-Meter in einem Spiel.

1992: Als Spielerin der Damen 2, jedoch gerade am Knie verletzt und daher als Betreuerin aktiv. Trainer: Karl Friedrich Hermann (Frieder)

Du musstest Deine Karriere als aktive Spielerin schon früh beenden. Was ist passiert?

Mein linkes Knie hat mich im Stich gelassen. Nach zwei Kreuzband Operationen und diversen Folgeproblemen machte es keinen Sinn mehr. Ich war noch einige Zeit auf dem Spielberichtsbogen eingetragen und wurde nur zum 7-Meter werfen eingewechselt. Als Trainerin hatte ich ja die Berechtigung dazu. Wer sollte sich da schon dagegen wehren. Richtig Laufen und Sprinten ging ja nicht mehr, aber die 15 Meter bis zum Strich habe ich gerade noch geschafft. (lacht). Und in der Torschützenliste war ich gar nicht so weit unten.

Nach Deiner aktiven Zeit warst Du Trainerin von verschiedenen Mannschaften. Welche Mannschaften hast Du alle trainiert? Wie hat sich der Damenhandball dann weiterentwickelt?

1987-1993D-weiblich durchgehend bis B-Jugend weiblich
1993-1995E-Jugend männlich (zusammen mit Robert Maier)
1996C-Jugend weiblich
1997-2008Trainerin und Betreuerin von verschiedenen Damenmannschaften

Wir waren Anfang der 80er irgendwie die Vorreiter, denn nach uns haben sich plötzlich viele Mädchen für Handball interessiert. Der Zulauf war sehr stark und schon bald gab es verschiedene weibliche Jugendmannschaften.

1987 als Trainerin der D-weiblich u.a mit Christine Kiefer (Benzinger), Katrin Bauer (Brugger) und Schwester Alex Fehringer (Gruber). Trainerkollege Jürgen Singer

Und die Mädels waren richtig gut! Damals standen sie vor meiner Haustüre, weil sie keinen Trainer hatten und da haben sie mich gefragt, ob ich sie trainieren könnte. Logisch habe ich zugesagt und sie dann 1987 übernommen. Die Generation war super talentiert und sie haben sich erstmals in der Vereinsgeschichte für die Südbadische Meisterschaft B-weiblich 1990 und 1991 qualifiziert. Darauf bin ich besonders stolz. Wenn man bedenkt, dass die Generation zuvor erst mit den Handballspielen begonnen hatte, dann war das schon was Tolles. 1998 ist die erste Damenmannschaft dann sogar in die Oberliga aufgestiegen.

Jahre später die B-weiblich bei den Südbadischen Meisterschaften 1990 und 1991 mit Trainerin Claudia

Du kommst ja aus einer Handball-begeisterten Familie. Ich nehme an auch beim Abendessen hat sich alles um den Handball gedreht. Erzähl mal?

Mein Vater, Sigfried Gruber war Handballvorstand im TuS – meine Mutter, Renate Gruber, ein großer Handballfan – meine Schwester Alex Fehringer war ebenfalls aktiv im Handball – da blieb es natürlich nicht aus, dass Handball das Gesprächsthema war, gerade an Wochenenden, wenn wir gespielt hatten. Da wurde alles nochmals im Detail nachdiskutiert.

Ich war auch noch einige Zeit mit meinem Vater zusammen in der Vorstandschaft des TuS. Handball und der TuS war ein wichtiger Teil unseres Lebens.

Vorstandschaft des TuS im Jahre 1999
Hintere Reihe v.l.n.r.: Robert Maier, Nadine Kuppel, Papa Sigfried Gruber
Mittelere Reihe: Stefan “Schlappi” Schaffner
Vordere Reihe: Claudia Haller, Britta Ammann

Die Damen und Herrenmannschaften sind ja heute eng verbunden und man feiert gemeinsam, ob bei der Clubheimparty oder nach den Spielen. Das macht ja auch den Charakter des TuS Steisslingen aus. Wie war es damals? Gab es auch schon engen Kontakt zu den männlichen Mannschaften und habt Ihr gemeinsam gefeiert?

Ich würde sogar sagen, dass war früher fast noch besser wie heute. Nach den Spielen ist man ins „Country“ (heute Restaurant Lamm) gegangen inkl. der Fans. Was hatten wir da tolle Abende erlebt. Alt und Jung haben gefeiert und ganz oft hat uns Harry mit einem Heimleuchter (Abschlussgetränk) rausgeworfen. Als sogar die ältesten Fans mitgewirkt haben mit „We will rock you“- Klatschend auf Tischen, Böden und Theken. Einfach nicht zu toppen.

Weihnachtsfeiern gab es auch bei uns immer zusammen mit den Jungs. Gerade bei der Weihnachtsfeier hatte jede Mannschaft einen Auftritt, sei es als Sister Act, The Weather Girls , Village People usw….unvergessliche Momente. Die Clubheimpartys (noch im alten Clubheim) waren auch legendär da Alt und Jung immer bis in den Morgen gefeiert haben.  Es wurde gesungen und getanzt bis die Sonne aufging.

Verfolgst Du die erfolgreiche Entwicklung der Damen 1 in den vergangenen Jahren?

Ich gehe sehr gerne zu den Spielen von den Damen 1, aber durch meine Schichtarbeit ist es mir nicht immer möglich. Aber dank Internet halte ich mich immer auf dem Laufenden. Es macht wirklich Spaß mit welchem Kampfgeist die Mädels zur Sache gehen. Das schnelle kampfbetonte Spiel begeistert mich sehr.

Beim 7-Meter Gaudi-Turnier auf dem „Roten Platz“

Mit welchen Spielerinnen hast Du heute noch Kontakt? Die „All Stars“ treffen sich ja heute noch regelmäßig und Ihr unternehmt selbst nach so langer Zeit noch gemeinsame Ausflüge.Plaudere mal ein bisschen aus dem Nähkästchen von Euren Ausflügen.

Frag lieber mit welchen Spielerinnen, ich keinen Kontakt mehr habe. (lacht) Mit den „All Stars“ (vor 30 Jahren haben wir alle zusammen Handball gespielt) gehen wir seit über 20 Jahren jedes Jahr auf Ausflug. Sei es Städteausflüge, in die Berge, an den Lage Maggiore oder den Gardasee. Es sind fast immer alle dabei.

Das ist schon eine tolle Sache, dass die Mannschaft von damals selbst nach 3 Jahrzenten noch so engen Kontakt hat. Da gibt es viele tolle Geschichten, denn auch mit 50 kann man noch anständig abfeiern. Aber was auf dem Mannschi passiert, bleibt auf dem Mannschi. Das ist die Regel die auch heute noch bei den Aktiven gilt!

Es gibt aber auch noch die Handball Mädels der ehemaligen Damen 3 die regelmäßig mittwochs was trinken gehen. Wir haben ja immer noch „unser Training“, jetzt zwar ohne Ball und nicht mehr in der Halle, aber mit Bier am See oder im Bistro Journal. Ausflüge sind auch im Jahresplan: Hütte oder Lago

Die „All Stars“ haben vor 30 Jahren zusammen Handball gespielt und treffen sich heute noch jedes Jahr zu einem gemeinsamen Ausflug. Hier beim Dieter-Thomas Kuhn Konzert in München

Du bist in den 80er Jahre groß geworden, daher muss ich folgende Frage stellen:Punker, Popper, Rocker oder Waver?Welche Musik hast Du in Deiner Jugend gehört und zu welchen Konzerten gehst Du heute noch?

Alles – nur kein Popper!

In meiner Jugend habe ich gerne die Neue Deutsche Welle gehört, Hits der 80-iger Querbeet, Melissa Etheridge, Manfred Mann‘s Earth Band  – eher in die rockige Schiene. Mein letztes Konzert war sogar 2019 in Singen „Manfred Mann‘s Earth Band“ und nächstes Jahr im Januar 2021 gehe ich zu „Gotthard“ (Schweizer Rockband)

Was hast du aus deiner aktiven Handball-Zeit mitgenommen, was du gerne jüngeren Spielerinnen und Spielern mitgeben möchtest? Welche Werte sind dir wichtig?

Ich bin unheimlich dankbar für die tolle Zeit beim TuS – es sind Freundschaften fürs Leben entstanden. Haltet den Kontakt – es lohnt sich.

Claudi als Trainerin der E-Jugend männlich 1993-1995
Hinter Reihe: 3. von rechts: Christian Oexle (heute Torwarttrainer Herren 1)
Untere Reihe: links – Jonathan Stich (heute Trainer Herren 1); Alexander Scherr (mit Pokal); mit Schnuller – Patrick „Paddy“ Ray (heute Marketing Manager TuS); links daneben – Steffen Rudolf

Vielen Dank Claudi, dass Du Dir die Zeit für ein Interview genommen hast. Hoffentlich sehen wir uns bald mal wieder bei Spielen der Damen 1 in der Halle. Alles Gute und bis bald.

Landesliga 1996/97 (Damen 1 und 2) mit Trainer Franz Stehle und Betreuerin Claudia Haller (mittlere Reihe links)

Trainerin der Damen 3Heute der Mittwochs-Stammtisch, Training ohne Ball aber dafür mit Getränk im Bistro Journal