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Die Handball-Jugendarbeit in der Region Hegau-Bodensee braucht ein übergreifendes Konzept!

Timo Simmen, Jugendleiter des TuS Steißlingen, ist sichtlich stolz über die aufstrebende Jugendarbeit beim TuS Steißlingen und regt ein Umdenken in der Region Hegau Bodensee an. Er spricht das unkoordinierte, unilaterale Vorgehen der HSG Konstanz an, welches aus seiner Sicht zur Schwächung des eigenen Vereins und der Jugendarbeit in der Region Hegau-Bodensee führt. Die Region braucht ein Jugendkonzept, an welchem interessierte Vereine beteiligt werden sollten. Ein anerkanntes Modell für den Jugendleistungshandball muss Bestandteil dessen sein.

Es ist April und die Planung für die kommende Jugendsaison beim TuS Steißlingen ist in den finalen Zügen. Leider herrscht helle Aufregung, da nicht nur ein wichtiger Spieler des TuS aller Voraussicht nach zur HSG Konstanz wechselt, sondern nun auch letzte Woche ein offenes Jugendsichtungs-Training bei der HSG Konstanz stattfand. Dieses «Casting» hatte reichlich Zulauf von Jugendspielern aus der Region, in der Hoffnung vielleicht mal Bundesligaspieler werden zu können.

«Damit wird ein weiterer Schritt gegangen, um an Talente zu kommen, ohne sie direkt aktiv ansprechen zu müssen - aus Sicht der HSG sicher ein schlauer Schachzug. Die besten Spieler werden wohl in den nächsten Tagen Post von der HSG Konstanz bekommen, um ihnen einen Wechsel anzubieten. Dieses Vorgehen wirft die Planungen in der Handballregion Hegau-Bodensee wohl durcheinander». meint Timo Simmen

Der TuS Steißlingen sieht das Vorgehen kritisch und fordert zum Umdenken in der Region auf.

«Die Vorgehensweise ist nicht neu, nur trifft es jetzt auch uns, die gute Arbeit in unserem Verein wird gesehen und man möchte die Talente in Konstanz haben», so der Jugendleiter.

In Steißlingen geht man den Weg von Kooperationen und besinnt sich schon seit Jahren auf die Konzentration der Jugendarbeit in der direkten Umgebung. «Die Kooperation wäre ein Modell für die Region. Wir wollen unser Profil stärken und eine echte Option im Leistungssport und Breitensport werden. Bei den Mädchen sind wir das bereits. Wir müssen unsere Arbeit im Dorf und direkter Umgebung machen und wollen uns nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Das Vorgehen führt zur Frustration unserer Trainer, der Mannschaften, der verbleibenden Spieler, Eltern und Sponsoren» sagt Timo Simmen.

Dass es auch andere erfolgreiche Wege geben kann, beschreiben die Erfolge des TuS Steißlingen. Soeben hat man mit dem Kooperationspartner HSG Mimmenhausen–Mühlhofen zwei südbadische Meistertitel bei der B- und C-weiblich errungen, die C-Jugend wurde am Wochenende sogar Baden-Württembergischer Vizemeister. Die C-Jugend spielt als TuS Steißlingen, die B-Jugend als HSG Mimmenhausen-Mühlhofen. Die langjährige Spielgemeinschaft «SG Hegau» mit der DJK Singen geht zu Ende und es konnte ein 4. Platz in der A-Jugend Südbaden-Liga Endrunde errungen werden. Die Jugendspieler kehren zu den Stammvereinen zurück.

Alle anderen TuS-Mannschaften erzielten großartige Ergebnisse und man ist in Steißlingen sichtlich stolz, auf die geleistete Arbeit. Mit dem Handballkindergarten und den Mannschaften von den Minis bis zur A- Jugend hat der TuS alle Altersklassen weiblich und männlich besetzt und leistet für 250 Kinder aktive Jugendarbeit bei 30 Trainingsstunden pro Woche. Zuletzt wurde ein Handballfördertraining Sonntagmorgens initiiert. Mit über 30 Trainern & Übungsleitern, fünf davon mit A- oder B-Schein, konnte man viele qualifizierte Trainer hinzugewinnen. Zusätzlich unterstützt der TuS seit Jahren die Schul- und Ferienbetreuung im Dorf. Dies ist ein grosser Aufwand, der zum Ziel hat, viele Jugendliche sportlich und sozial auszubilden und später in die Vereinsstrukturen den Leistungs- und Breitensportmannschaften zu integrieren.  Für die kommenden Runde wurde mit zwei Vereinen aus der Hegau-Bodensee-Region das Gespräch gesucht, um Schnittmengen auszuloten. «Wir setzen uns mit den Verantwortlichen der Vereine zusammen, haben gemeinsame Jugendsitzungen und versuchen die Jugendarbeit gemeinsam voranzubringen. Das passiert mit der HSG Konstanz nicht.  Im besten Fall, wird man über das Interesse an einem bestimmten Spieler vorab informiert. Man legt dann dem Spieler keine Steine in den Weg, hat aber dann das Problem eine wichtige Position in der Mannschaft nicht mehr besetzen zu können. Das interessiert dann die HSG Konstanz nicht. Wir würden versuchen das Problem am Tisch vorab zu lösen. Nun sind wir leider unter Druck, der eigenen Mannschaft gegenüber» meint Timo Simmen.

Man möchte sich im Jugendbereich als Ausbildungs- und Kooperationsverein in der Hegau- Bodensee-Region positionieren und für die Leistungsdiversität im Umkreis einsetzen. «Was bringt es uns, wenn alle vermeintlich guten Jugendlichen in Konstanz spielen? Wo bleibt die Identifikation mit den Traditionsvereinen? Es ist schädlich was hier passiert, denn fehlende Konkurrenz ist das Ende allen Fortschritts. Letztendlich besteht das Risiko, dass Trainer keine Lust mehr haben, indem man sie ihren Talenten beraubt » sagt Timo Simmen.  «Wenn das so unkoordiniert weiter geht, dann trocknet die Quelle bald aus, das wäre noch die Ironie an der Sache!»

«Im weiblichen Bereich ist dem SV Allensbach ein aufstrebender, befruchtender Konkurrent aus Steißlingen erwachsen. Das tut der Region gut, da man mit dem TuS Steißlingen einen weiteren Bundesligisten der 3. Liga aus der Region Hegau-Bodensee stellt. Die Talente haben nun eine echte Alternative» meint Timo Simmen. «Der Weg, den wir gehen, baut auf Kooperationen und dem Angebot von Gast- und Zweitspielrechten auf. Die Jugendspieler und Spielerinnen haben den Pass des Heimatvereines und kehren oft dahin zurück. Das halten wir für einen fairen Weg – zum Nutzen aller beteiligten Vereine».

Die Region hat bei den B- und A-Jugenden kaum konkurrenzfähige Mannschaften. Gründe sieht er an der mangelnden Zusammenarbeit und im «Rosinenpicken» von Talenten aus gewachsenen Strukturen.  «In den Baden-Württemberg-Ligen sucht man vergebens nach Jugendmannschaften aus der Region. Das Konzept einer A-Jugend-Bundesliga Mannschaft in Konstanz bündelt zwar Spieler dort, sorgt aber dafür, das gewachsene Mannschaften deren Talente geraubt werden, dann kaum mehr den Spielbetrieb bestreiten können. Viele Spieler entdecken erst viel später ihre Talente oder entwickeln den notwendigen Ehrgeiz, die gehen dann verloren und bleiben auf der Strecke. Mir wäre es lieber, wir würden den Jugendleistungshandball im Hegau-Bodenseekreis breiter aufstellen können. Mit 2 oder 3 Mannschaften aus der Region, in der A- und B-Jugend BW Liga, könnte man Derbys anschauen, wie auch in der Ortenau oder in Württemberg, das würde befruchten», meint Timo.

«Ein Konzept in Absprache und Zustimmung der Vereine im Hegau-Bodenseekreis macht Sinn. Wenn ein Spieler BW-Liga Niveau hat, dann sehen wir das auch», sagt Timo Simmen. «Anstatt die Spieler abzuwerben, muss man umdenken und die Spieler müssen wohlwollend zu den Topadressen pro Altersklasse in der Region geschickt werden. Das wäre ein Modell, welches funktionieren könnte. Dazu müssen auch die Vereine umdenken und gemeinsam ein Konzept erstellen. Der TuS Steißlingen ist dazu bereit. Wir brauchen eine gemeinsame Identifikation» meint er.

Beispiele, wo es in der Region hapert, gibt es viele. Einige Vereine haben beispielsweise seit über einem Jahrzehnt eine ausgezeichnete Jugendarbeit im jüngsten Bereich. Ab der A-Jugend sucht man aber die höherklassigen Mannschaften vergeblich. Auch die Handballakademie der Kadetten Schaffhausen mischt beim Scouting seit Jahren mit.

«Wir werden uns weiterhin positionieren und viel Zeit in die Jugendarbeit im weiblichen und männlichen Jugendbereich investieren. Wir werden es akzeptieren, wenn mal ein Jahrgang nicht so gut ist, diesen dann aber weiterhin fördern - in Zusammenarbeit und durch Kooperationen.

 Die Region benötigt ein Jugendkonzept, wir vom TuS Steißlingen sind dazu bereit und hoffen auch auf die Bereitschaft aus Konstanz umzudenken. Es ist allerhöchste Zeit!»

Ranking der Handball Vereine mit den meisten Jugendmannschaften (männlich & weiblich) von der A-Jugend bis zur E-Jugend (Saison 22/23).

TV Überlingen                   12 Mannschaften

HSC Radolfzell                 12 Mannschaften

TuS Steißlingen                11 Mannschaften (davon 3 in Kooperationen mit der DJK Singen & HSG Mimmenhausen/Mühlhofen)

HSG Konstanz                  10 Mannschaften

SV Allensbach                    7 Mannschaften (incl. Dett.-Wallhausen)