SOMMERPAUSEN-TALK VOL. 3 MIT JÜRGEN HERR

Der Sommerpausentalk mit Jürgen Herr wurde von Patrick Ray – Manager Marketing des TuS Steißlingen Abt. Handball – durchgeführt.

NameJürgen Herr
SpitznameJürgi
WohnortSt. Georgen im Schwarzwald
Jahre beim TuS2002 bis 2006
Ehem. Rückennummer5

Hallo Jürgen, mittlerweile ist es fast 15 Jahre her, seitdem Du für den TuS Steißlingen Deine Handballschuhe gebunden hast. Erzähle unseren Lesern doch ein wenig von Dir und wie Dein aktuelles Leben so aussieht?

In den letzten 15 Jahren ist natürlich viel passiert in meinem Leben. Wenn es auch aktuell situationsbedingt etwas weniger aufregend ist. Seit meinem TUS-Abgang arbeite ich als Entwicklungsingenieur bei der Firma ebmpapst in St. Georgen. Diesen Job habe ich mir damals gezielt ausgesucht und er bereitet mir heute noch Freude. Tanja und ich sind inzwischen verheiratet und füllen unsere Freizeit mit gemeinsamen Aktivitäten wie beispielsweise Sport. Ein Haus haben wir auch in St. Georgen gebaut, in welchem wir uns sehr wohl fühlen.

Jürgen mit Frau Tanja

Du kamst damals als junger Spieler (20 Jahre) zum TuS Steißlingen und hast Dein Debüt unter Trainer Claus Ammann gegeben. Wie kam es dazu, zumal St. Georgen jetzt nicht gerade ums Eck liegt?

Der Beginn meines Studiums an der HTWG Konstanz war der Grund für den Vereinswechsel.

Neuzugänge 2002 – v.l.n.r.: Alexander Scherr, Jörg Parschat, Jürgen Herr

Als gebürtiger Schwarzwälder bist Du sicherlich mit Skiern auf die Welt gekommen?! Was hat Dich damals dazu gebracht mit dem Handball-Sport anzufangen?

Das ist richtig, auch ich fahre gerne Langlauf.  In St. Georgen war und ist Handball die Sportart Nr. 1. Ebenso haben meine Freunde Handball gespielt, so war es naheliegend, dass auch ich als 6-jähriger mit dem Handballspielen begonnen habe.

Langlauf 2021

Warst Du damals der einzige in der Familie, der mit dem Handball begonnen hat oder waren die Eltern oder Schwester ebenfalls Handball-begeistert?

Mein Vater war Fußballer, meine Schwester Turnerin. Der Einzige der tatsächlich in meiner Familie Handball gespielt hat, war ich. Das hat mir eigentlich ganz gut gefallen, so konnte ich meinen eigenen Weg gehen.

Jürgen beim 7-Meter – Saison 2014/2015

Wenn ich richtig informiert bin, hattest Du zu damaliger Zeit nicht nur Angebote vom TuS sondern auch vom Lokalrivalen TV Ehingen. Was hat dich dazu bewegt das blau-weiße Trikot zu tragen anstelle des grün-weißen?

Das ist richtig, ich war auch in Gesprächen mit dem TV Ehingen. Seitens TUS haben Claus Ammann und Timo Simmen mit mir gesprochen, welche mich auch letzten Endes überzeugt haben zum TUS Steißlingen zu wechseln. Auch sportlich Stand der TUS sehr gut da, was mich ebenso gereizt hat.

Spielerportrait-Evolution

Erzähl uns einmal aus Deiner Erfahrung, wie es ist als junger Spieler aus der „Ferne“ zum TuS Steißlingen zu wechseln? Gab es da jemand, der Dich bei der Integration unterstützt hat bzw. Dich unter seine Fittiche genommen hat?

Das Umfeld und vor allem die Mannschaft haben mich sehr gut aufgenommen und deshalb habe ich mich schnell wohl gefühlt. Vor allem die beiden Mannschaftsführer Achim Riedle und Matthias Dragunsky haben mich sehr unterstützt.

Mannschafts-Foto Herren I – Saison 2002/2003

Deine Eltern, Schwester Helge, Freundin und jetzt Frau Tanja waren oft im Mindlestal zu Besuch. Ist das als Spieler ein zusätzlicher Motivationsschub, wenn man familiäre Unterstützung bekommt?

Wenn dich deine Familie in deinem Hobby unterstützt ist das ja eine tolle Sache und macht das Ganze noch schöner und auch unkomplizierter.

Schwester Helge (l.), Frau Tanja (m.) und Meike Rohrbeck (r.) beim Gaudi-Turnier in Steißlingen

Sicherlich erinnerst Du Dich noch an die spannenden Derbys, die es zu damaliger Zeit noch gab. Welches war für Dich das persönlich einprägsamste?

Für mich persönlich war das Heimspiel gegen die DJK Singen vor knapp 1000 Zuschauern, in welchem ich 13 Tore erzielte, das einprägsamste.

Jürgen in Aktion gegen den TV Meissenheim

Für den TuS waren die Derbys gegen Ehingen, die wohl prestige-reichsten Aufeinandertreffen. Waren die Derbys im Schwarzwald ähnlich vergleichbar oder war das ein Erlebnis was Du bis dato so noch nicht kanntest?

Auch im Schwarzwald gab und gibt es selbstverständlich heiß umkämpfte Derbys, z.B. gegen Schramberg und gegen Schenkenzell/Schiltach. Bei diesen Spielen sind meist um die 500 Zuschauer anwesend und es herrscht eine tolle Stimmung.

Hattest Du zu Deiner aktiven Zeit in Steißlingen einen Angstgegner in Form einer Mannschaft oder auch Spieler?

Es gibt Spielertypen wie auch Mannschaften, die versuchen weniger über Spielwitz einen Vorteil zu gewinnen, sondern eher über körperliches Spiel. Dazu zählte damals die Mannschaft aus Weil. Soweit ich mich aber erinnern kann, konnten wir diese Spiele trotzdem gewinnen und das ist das was am Ende zählt.

Spiel gegen den TuS Helmlingen

Zu Deiner Zeit wurden noch Clubi-Partys im ehrwürdigen „alten Clubheim“ gefeiert. Nimm unsere jungen Leser doch mal auf einen kleinen Exkurs mit und erzähl uns, wie man sich eine Feier nach einem harterkämpften Spiel so vorstellen muss.

Nach einem gewonnen Spiel, was im Prinzip ein „Muss“ war, wenn eine Clubheim-Party stattfand, war es schon toll gemeinsam mit den Zuschauern, Vereinsangehörigen wie auch und vor allem mit der Mannschaft im Clubheim die 2 Punkte zu feiern. Das Clubheim habe ich aber auch als gemütlichen Treff nach dem Training in Erinnerung. Ich glaube so ein Ort ist sehr wichtig für die Mannschaft wie auch den Verein.

Jürgen mit Dominik “Domsel” Ray an einer der legendären Clubi-Partys

Von Alex Stehle (Sommerinterview 2020) haben wir erfahren, dass die meisten auswärtige Spieler ein „Stammhotel“ hatten. So hat Alex meist bei Familie Bauer übernachtet. Hattest Du ebenfalls einen Herbergsvater?

Das ein oder andere Mal kam das schon auch vor, dass ich in Steißlingen übernachtet habe. Da gab es aber immer mehrere Möglichkeiten.

An Deinem Abschied hast Du eine Medaille überreicht bekommen. Weißt Du noch was es damit auf sich hatte?

Ehrlich gesagt nein.

Verabschiedung von der Mannschaft mit Alex Stehle

Als gebürtiger Schwarzwälder waren die Spiele in der Heimat sicherlich von hoher Brisanz. Welche Duelle als St. Georgener standen damals für Dich ganz oben?

Da gab es nur die Spiele gegen Schenkenzell/Schiltach, welche für mich persönlich aber keine höhere Brisanz hatten.

Uwe Rathke hat Dich 2020 in seinem Interview mit den folgenden Worten charakterisiert: „Dann war da noch Jürgen Herr. Ein genialer Handballer, aber immer am Rand zum Wahnsinn. Ein Typ Spieler, den man heut zu Tage mit Andy Schmid vergleichen könnte. Ihm fehlte nur die Masse ;-)“ Stimmst Du diesem zu?

Das freut mich sehr, nach so langer Zeit von meinen ehemaligen Trainer Uwe so etwas zu hören. In der Regel brachten meine direkten Gegenspieler ein paar mehr Kilo auf die Waage, das stimmt (lacht). Dementsprechend versuchte ich eher über Spielverständnis zum Erfolg zu kommen.

TuS Herren I beim SKODA CUP in Allensbach mit angesprochenem Trainer Uwe Rathke

Trainertechnisch hattest Du mit Claus Ammann und Uwe Rathke zwei außergewöhnliche Trainer. Spieler-technisch hattest Du in den 4 Jahren auch mit einigen sehr taltentierten Spielern zu tun. Wer war damals Dein Lieblingsmitspieler und warum?

Als ich nach Steißlingen kam hat mich Elmar Birk durch seine Qualität und seine Ausstrahlung im Tor beeindruckt. Im Training gegen ihn zu spielen bzw. zu werfen hat mir sehr viel Spaß gemacht und hat mich natürlich auch weiter gebracht. Auf dem Spielfeld war das Achim, der ein sehr spielstarker RL war, was mir als Mittelmann entgegen kam. Aber auch mit dem Kreisspieler Drago hat es sofort harmoniert. Alles im allem waren damals eine Menge sehr guter Handballer dabei.

Jürgen in seiner letzten Saison beim TuS – Saison 2005/2006

Was hat Dich 2006 dazu bewegt den TuS zu verlassen?

Nach meinem Studium mussten wir uns entscheiden wo wir unseren Lebensmittelpunkt sehen. In St. Georgen habe ich ein Angebot für eine Stelle als Ingenieur bekommen. Und dann war da ja noch der TV St. Georgen, der auch sehr um mich bemüht war. So haben wir uns damals entschieden nach St. Georgen zurück zu kehren, obwohl das sportlich ganz klar ein Rückschritt war.

Verabschiedung durch die damaligen Abteilungsleiter Karl Schmed (r.) und Lothar Ray (m.)

Welche Persönlichkeit abseits des Spielfeldes verbindest Du noch heute mit dem TuS?

Da gab es so viele nette und hilfsbereite Menschen, dass ich mich hierzu nicht festlegen möchte.

Hast Du nach Deiner Zeit beim TuS noch einmal aktiv Deine Handballschuhe geschnürt?

Ich habe danach noch ein paar Jahre für den TV St. Georgen gespielt, bin dann 2009 übergangslos in das Trainergeschäft eingestiegen. Ab und an spiele ich noch bei Rasenturnieren mit.

Rasenturnier 2019 mit dem alten Südbadenliga-Team

Nach Deiner aktiven Handball-Karriere hast Du einige Trainer-Posten bei Deinem Heimat-Verein TV St. Georgen betreut. Unter anderem hast Du hier die A-Jugend betreut, danach die Herren I, mit denen Du 2017 Meister wurdest und in die SBL aufgestiegen bist. Was hat Dich damals dazu bewegt Trainer zu werden?

Die damaligen A-Jugendspieler des TV St. Georgen kamen auf mich zu und haben mich gefragt ob ich sie trainieren möchte. Das habe ich dann mit viel Freude 4 Jahre gemacht. Parallel habe ich die C- und B-Lizenz an der Sportschule Steinbach erworben. Danach kamen die Spieler der 1. Mannschaft auf mich zu und baten mich sie zu trainieren. So nahm das Ganze seinen Lauf, obwohl ich mir als Spieler nicht wirklich vorstellen konnte selbst einmal Trainer zu werden. Im vierten Jahr folgte eine Saison mit der niemand rechnen konnte. Plötzlich standen wir nach der Hinrunde ganz oben. Ab dort hatten wir sowohl bei den Heimspielen volles Haus, als auch vollbesetzte Busse bei den Auswärtsspielen. Am letzten Heimspieltag trafen wir auf den Tabellenzweiten. Die Story war wie folgt: Wer dieses Spiel gewinnt wird Landesliga-Meister und steigt auf in die SBL. In einer komplett ausverkauften Halle vor rd. 800 Zuschauern gewannen wir das „Endspiel“ gegen die besser besetzte Mannschaft aus Herbolzheim. Die Feier und die Emotionen danach waren unglaublich. Das war sicher einer der schönsten Momente in meinem Handballleben. Eindrücke aus diesem „Endspiel“ siehe Link: https://www.youtube.com/watch?v=9LrXqtdTQx8

Jürgen im Einsatz an der Seitenlinie beim TV St. Georgen

Welche Werte gibst Du Deinen Spielern mit auf den Weg, welche Du schon als Spieler so gelebt hast?

Man sollte es immer schaffen, dass alle an einem Strang ziehen und dass so etwas wie ein Gemeinschaftsgefühl entsteht bei dem jeder für jeden da ist. Das erreicht man in dem man respektvoll miteinander umgeht und sich für den anderen zu jeder Zeit einsetzt.

Was war für Dich als Spieler und ist es auch jetzt noch als Trainer ein „no-go“?

Diskussionen während dem Spiel mit dem Publikum ist für mich ein „no-go“!

Auch unsere beiden Wege haben sich schon auf dem Spielfeld gekreuzt, obwohl Du damals (nur noch) als Trainer aktiv warst. Wir haben uns damals in der Landesliga einige packende Spiele in der Roßberghalle als auch im Mindlestal geliefert. So haben wir – TuS Herren II – in Triberg (Halle in St. Georgen war so viel ich weiß wegen den Schwimmbadrennovierungen nicht bespielbar) unsere Meisterschaft in letzter Sekunde in die richtige Richtung gelenkt. Du mit Deinen Jungs in Steißlingen das Jahr darauf die Meisterschaft gefeiert. Waren diese Spiele gegen Deinen Ex-Verein eher von Vorfreude oder Nervosität begleitet?

Vorfreude war da schon dabei, da man ja wieder alte Bekannte traf. Im Normalfall fokussierte und konzentrierte ich mich aber auf das Spiel und meine Aufgaben.

Voller Fokus auf die anstehende Aufgabe

Wenn Du damals Trainer vom TuS gewesen wärst, wen hättest Du damals in die Startsieben gestellt?

  • Mitte: Felix Wurm
  • RR: Alex Stehle
  • RL: Achim Riedle
  • Kreis: Matthias Dragunsky
  • RA: Markus Voigt
  • LA: Andreas Rohrbeck
  • Tor: Elmar Birk

Früh übt sich … Jürgen als Teil des Trainer-Gespräches im Steißlinger Spiegelsaal

Hast Du noch Kontakt zu ehemaligen Mannschafts-Kameraden oder anderen Personen vom TuS?

Mit Meike und Andy Rohrbeck haben wir ab und an noch Kontakt. Ansonsten hat der Kontakt natürlich über die Jahre nachgelassen.

Jürgen zusammen mit dem angesprochenen Andi Rohrbeck (17)

Eine Frage, die die Handball-Welt spaltet und wohl in Zukunft auch noch tut: Wer sind die besseren Handballer?  Rechtshänder oder Linkshänder?

Ich denke die handballerischen Fähigkeiten eines Spielers haben erst mal nichts damit zu tun ob er/sie Rechts- oder Linkshänder ist. Taktisch ist das natürlich ein großer Vorteil wenn man einen oder mehrere Linkshänder in seinen Reihen hat. Ein sehr großer Pluspunkt wäre wenn der Spieler beidseitig, also rechts wie links, gleich stark wäre. Vielleicht sehen wir irgendwann mal so einen Spieler.

Im Spiel gegen den Lokal-Rivalen TV Ehingen

Was war Dein größter Erfolg als Spieler und Trainer?

Spieler: Einsatz im Spiel für die südbadischen Herrenauswahl gegen die deutsche Junioren Nationalmannschaft im Jahr 2003

Trainer: Landesligameister mit der 1. Mannschaft des TV St. Georgen im Jahr 2017

Meisterschaft mit dem TV St. Georgen als Trainer im Jahr 2017

Kommen wir einmal zu den Aktivitäten, die zum Handball dazugehören aber meist nicht auf dem Spielfeldrand stattfinden. Die „Mannschis“… Was war Dein absolutes Highlight der Saison-Abschlussfahrt? Wo ging es damals hin und was stand da so auf der Agenda?

Das Highlight war Calella. Eigentlich haben wir auf der Hinreise schon so viel erlebt, dass wir direkt wieder nach Hause fahren hätten können. U.a. stand die Besichtigung von Barcelona auf dem Programm und natürlich ein paar Abendevents.

Jürgen mit Alex Stehle (Sommerpausen-Interview 2020) auf dem “Mannschi” – 2004

TuS hat damals für Dich folgendes bedeutet:

  • T = Teamgeist
  • U = Umgang (guter)
  • S = schneller Handball

Welche sportlichen Situationen hast Du aus Deiner Handball-Zeit mitgenommen, was Du gerne jüngeren Spielern mitgeben möchtest?

In den letzten Jahren habe ich viele Spieler von der A-Jugend in die 1. Mannschaft begleitet. Meist waren diese Spieler etwas zu ungeduldig. Die Anpassung der einzelnen Spieler an den Herren-Handball ist individuell. Diese Zeit kann ein paar Monate dauern, aber in manchen Fällen benötigt der Spieler auch 1-2 Jahre um sich an das Niveau anzupassen. Deshalb rate ich jedem geduldig zu bleiben und gleichzeitig hart und fortlaufend zu trainieren. Dann kommen wir schon zum zweiten Punkt die Athletik, welche meines Erachtens der entscheidende und wichtigste Parameter bzgl. Erfolg ist.

An dieser Stelle möchte ich mich recht-herzlich bei Dir bedanken und hoffe, dass wir Dich bald mal wieder im Sportpark Mindlestal begrüßen dürfen. Sei es als „gegnerischer“ Trainer oder Zuschauer, Du bist bei uns immer ein gern gesehener Gast! Mach es gut, Jürgen 🙂

Herren I mit Interims Coach Bernd Mankewicz

Jürgen mit seiner jetzigen Jugend-Mannschaft des TV St. Georgen